Interview mit dem ehemaligen GJU-Vizepräsidenten Prof. Dr. Ralf Roßkopf

Prof. Dr. Ralf Roßkopf von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt war von 2019 bis 2022 als Vizepräsident für Internationales an der GJU tätig. Ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr nach Deutschland blickt Ralf Roßkopf in einem ausführlichen Interview mit dem GJU-Projektbüro noch einmal auf diese besondere Zeit zurück.


Prof. Dr. Ralf Roßkopf während seiner GJU-Vizepräsidentschaft 2019-2022

Herr Roßkopf, was macht die Deutsch-Jordanische Universität (GJU) für Sie als Hochschule so besonders?

Die GJU hat ein einzigartiges Narrativ. Besuchergruppen haben nach einer halbstündigen Vorstellung ein unvergessliches, farbiges Bild vor Augen und im Herzen. Dieses Bild trägt viele Kolleginnen und Kollegen an der GJU, wie auch Partnerschaften und Freundschaften nach Deutschland. Es ist das Bild einer binationalen Universität, die mehr ist als eine Bildungseinrichtung, die inmitten einer Krisenregion als Leuchtturm eines stabilen Landes den Auftrag der Verständigung von Völkern, Kulturen, Religionen, Räumen und Menschen lebt und verkörpert; die jungen Menschen eine Perspektive daheim, in Deutschland und weltweit eröffnet. Die GJU integriert das Fachhochschulmodell in die Strukturen einer Forschungsuniversität, bildet trilingual und anwendungsbezogen aus, ist kein Projekt, sondern Institution. Alle Studierende studieren Englisch und lernen Deutsch bevor sie sich den Traum des Deutschlandjahres erfüllen (ein Studiensemester, ein Praktikumssemester) und vielfach verwandelt wieder nach Jordanien zurückkehren; jährlich ca. 700. Es erfüllt, daran mitwirken haben zu dürfen.

Gab es in den Jahren Ihrer Vizepräsidentschaft an der GJU einen besonders prägenden Eindruck bzw. ein besonders prägendes Ereignis?

Die Corona-Pandemie – und die Selbstverständlichkeit mit welcher von Kolleginnen und Kollegen die Herausforderung angenommen wurde, trotz plötzlich angeordnetem, zweieinhalbmonatigem, wirklich hartem Lockdown die Universität ohne einen Tag Unterbrechung mit vielfach unzureichenden Mitteln von zuhause weiter zu betreiben. Mit ministerieller Ausnahmegenehmigung Militärsperren zu passieren, um (später erstattetes) Privatgeld zu Studierenden zu bringen, die Miete und Lebensunterhalt nicht mehr zahlen konnten. Dass es mit Hilfe eines aufopferungsvollen Teams, der Botschaften und der Hochschulpartner gelang, trotz fast geschlossener Grenzen den Austausch fortzuführen, hunderte Studierende zu entsenden und hunderte wieder zurück zu holen. Dass die GJU die Kraft fand, sich auch in dieser Zeit weiterzuentwickeln. All das bleibt unvergessen.

Welche drei Schlagworte beschreiben Jordanien aus Ihrer Sicht am besten?

Sonne, Liebenswertigkeit, Verzauberung

Was bedeutet nach drei Jahren als Vizepräsident in einem gelebten TNB-Projekt ganz konkret transnationale Bildung für Sie?

Transnationale Bildung ist ein vielfacher Gewinn für beide Partnerländer. Beide erfahren neue Dimensionen und Welten von Bildung, Perspektiven, Persönlichkeiten, Partnerschaften, Freundschaften. Sie erhalten Impulse für Verstand, Verständnis und Selbstverständnis. Transnationale Bildung kann ein Nukleus für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen sowie Völkerverständigung sein. Transnationale Bildung ist kein Selbstläufer, nicht immer eitel Sonnenschein, vielfach ernüchternd, anstrengend und zuweilen frustrierend. Nimmt man aber auch diese Seite als Teil ihres Wesens, als einen Grund ihres Seins und sich ihrer gerade auch deswegen an, ist sie erfüllend.

Was war aus Ihrer ganz persönlichen Sicht die größte Errungenschaft an der GJU in den vergangenen drei Jahren?

Die Einführung Dualen Studierens in einem Land, in welchem dies keine Tradition hat, wo hierfür erst bei Studierenden, Lehrenden, Unternehmen und beim Ministerium Verständnis geschaffen werden musste – bis die ersten überzeugt waren, Feuer fingen, andere ansteckten und die Botschaft die Runde machte, dass Land, Gesellschaft und Wirtschaft genau diese Form der Bildung benötigen, um die Kluft zwischen Ausbildung und Arbeitsmarktanforderungen zu überbrücken. Und: Hierfür anders als viele deutsche Hochschulen die auflagenlose Bestätigung durch den deutschen Akkreditierungsrat bekommen zu haben. Schließlich: Als Ausländer den nationalen Ausschuss zur Ausarbeitung der jordanischen Akkreditierungsvorgaben für Duales Studieren angetragen bekommen zu haben und zwischenzeitlich den Entwurf angenommen und umgesetzt zu sehen.


Ralf Roßkopf und der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, an der GJU
(Den vollständigen Bericht zum Besuch von Robert Habeck an der GJU finden Sie hier)

Bevor wir mit dem Interview schließen, möchten wir Sie bitten, die folgenden Sätze für uns zu vervollständigen:

Der Hochschulalltag an der GJU ist… tägliche Herausforderung, Freude und Erfüllung.

Lehren an der GJU ist... mir leider aufgrund meiner Position nicht vergönnt gewesen, was ich nachzuholen gedenke.

Das Deutschlandjahr der GJU-Studierenden ist…ein unvergleichlicher Schatz, den es zu bewahren und immer wieder zu polieren gilt.

Wohnen in Amman ist… anders als in einem fränkischen Dorf.

Freizeit in Jordanien ist… leider zu kurz gekommen; wenn es aber gelang, Natur und Landschaft zu erkunden, war es unvergesslich.

Ein repräsentativer Botschafter Jordaniens ist für mich… Mohammed, mein ehemaliger Fahrer.

An Jordanien werde ich am meisten vermissen… die GJU, die Menschen, die Landschaft, das Beobachten des Erwachsen- und Selbständigwerdens meiner einen Tochter und der unvergleichlichen Liebe meiner anderen Tochter zu Land, Leuten, Schule und Reiterhof.

Der Sprung von Amman nach Würzburg… war nach Hermann Hesse eine verblühende alte und eine aufblühende neue Lebensstufe.

Ihre abschließende Botschaft?

Die Jahre mit meiner Familie in Jordanien waren ein Geschenk, für das ich unendlich dankbar bin.

 

Wir danken Herrn Roßkopf an dieser Stelle ganz herzlich für diesen offenherzigen Rückblick!

 

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